Digital aber wie?

Wir müssen dort hin wo die Menschen sind. Mit dieser Begründung sind wir alle in Facebook und Instagram. Diese Begründung verwende auch ich in meiner Arbeit. Aber sobald ich das sage formiert sich bei mir immer auch ein „Aber“.

Im Juli habe ich zwei Bücher gelesen die mich noch immer nicht loslassen: „Influencer. Die Ideologie der Werbekörper“ von Ole Nymoen und Wolfgang Schmitt und „Trick Mirror“ von Jia Tolentino. Während das erste Buch die Social Media im kapitalistischen Geschehen einordnet beschäftigt sich Jia, ausgehend von ihrer eigenen Vita, in einzelnen Essay mit der Wirkung der Social Media auf sie selbst, aber auch auf die Gesellschaft. Was sie anhand verschiedener Beispiele aus den Bereichen der Frauenbewegung/Feminismus, Rassismus etc. macht.

Immer mehr frage ich mich, ob „Wir müssen noch einen Account starten“ der richtige Weg ist (abgesehen davon, dass ich der Meinung bin, dass die vielen Kirchenaccounts zu klein sind und zu viel Ressourcen binden: Zusammenarbeit wäre wichtig). Um mich ja nicht falsch zu verstehen: Ich bin nicht dagegen, dass Kirche und kirchliche Akteur:innen in Social Media unterwegs sind. Aber ich wünsche mir ein seriöses reflektieren der Nutzungsformen und diese oft überzogene Erwartungen bzgl Erfolg etc.

Einmal stelle ich mir die Frage: Bedienen wir mit der so aktiven Nutzung der Social Media nicht genau jene Mechanismen, die wir an anderer Stelle, gerade im Kontext der Soziallehre oder im christlichen Menschenbild bekämpfen? Zeigen sich da nicht Dilemma, die wir benennen und genau abwägen sollten? (Wie gesagt, das ist keine Absage an die Nutzung der Räume)

Und dann, wir sagen, wir sind dort wo die Menschen sind. Das stimmt. Die Menschen, zumindest die meisten Menschen sind in den Social Media. Aber erreichen wir die wirklich dort? Ist Facebook, Instagram und Co denn wirklich der Raum in dem uns die Menschen entdecken, die uns suchen – von denen die uns nicht suchen gar nicht zu reden. Warum frage ich das? Weil ich immer wieder merke, dass in meinem Feed selten die Seiten zu finden sind die ich abonniert habe. Weil ich immer wieder merke, dass kirchliche Veranstaltungen in meinem Feed oft erst dann auftauchen, wenn sie vorbei sind oder gerade stattfinden. Das liegt am Algorithmus. Das liegt daran, dass „Kirchens“ oft genug kein Geld für ihre Seiten und Beiträge verwendet (Werbung) und deshalb halt auch von Facebook abgestraft wird (oder zumindest nicht gefördert wird).

Ist es dann so, dass uns die Menschen auch in den Social Media aktiv suchen müssen? Wenn ja, was bedeutet das dann? Das müssen die Menschen im „normalen“ Netz doch auch. Bedeutet das dann, dass wir uns nochmal hinsetzten müssen und eventuell andere Strategien der Digitalisierung bzw. der digitalen Kommunikation starten müssten? Wäre es nicht sinnvoll hier nochmal genau nachzudenken, was denn diese Digitalisierung ist? Sie ist doch zumindest nicht nur die Nutzung der Social Media.

Immer wieder motiviere ich in meinen Gesprächen weiter zu denken. In meiner Veranstaltungsreihe „digitales Konfekt“ will ich aktiv andere Themen angehen: Google-Nutzung (wir kommen nicht daran vorbei), Wikipedia-Nutzung, aber auch die Frage nach SEO der Internetseiten wäre ein Thema, einer echten Internetseiten-Strategie (aufräumen, entarchivieren, etc.), eventuell auch Nutzung von Methoden wie RSS-Feed (bei Podcast verwenden wir das doch auch), Messenger, Netzwerke, ein interaktiver Pfarrbrief, …

Was braucht es und wie können wir wirklich sichtbar, transparent, kommunikationsoffen sein – Antworten gibt es dazu (unter anderem) in einer digitalen Kirche, die nicht an dem Ort stehen bleibt, wo die Menschen gerade sind, sondern weiter geht. Eventuell sogar irgendwann auch wieder voraus.

%d Bloggern gefällt das: