Walker, Martin; Connaisseur. Zürich 2020.
Eigentlich ist es egal, wie der einzelne Band der „Kommissar Bruno“-Reihe von Martin Walker ist. Lesen, das muss ich ihn, denn es ist eine Reihe und wer einmal angefangen hat, dürfte wohl eher nicht wieder aufhören. Aber nach einigen schwächeren Ausgaben steigert sich die Reihe spätestens seit dem neunten Band wieder und auch die aktuell erschienene Ausgabe, Band Nummer 12, bietet ausreichend Qualität, um in die Geschichte einzutauchen. Wohl wissend, dass es sich hier nicht um die hohe Literatur geht, sondern um anständig geschriebene Krimis.
Wieder ein neuer Fall für Bruno. Aus der anfänglichen einfachen freundschaftlichen Sorge um eine junge Dame, die vermisst wird, entwickelt sich ein weiterer Mordfall, den Bruno erkennt, untersucht und dann auch aufdeckt: Eine Leiche in einem Brunnen eines Schlosses. Eine junge Frau, Amerikanerin, sehr beliebt, jung, hübsch, intelligent, Spross einer reichen Familie, wird ermordet. Was steckt dahinter? Mit der Untersuchung des Mordfalls verwoben ist, wie in jedem Band, auch die Gaumenfreude Brunos, Geschichten und G’schichtle des Ortes, der Region der Freunde, ein bisschen Weltpolitik, ein bisschen Liebe – alles was es braucht, um keine Langeweile beim Lesen aufkommen zu lassen.
So geht es in dieser Band wieder tief hinein in die französische Geschichte und zwar in jenen Teil, der auch heute noch seine braunen Schatten über Frankreich legt. Die Vichy-Zeit, der Algerienkrieg, Kolonialismus, der Gegensatz der Resistance und der im französischen Volk vorhandenen rassistischen und nationalsozialistischen Wurzeln, die heutigen Folgen daraus – all das wird angesprochen aber schlussendlich gekrönt mit einer Erinnerung an eine große Dame der französisch-amerikanischen Geschichte: Josephine Baker!
Die kulinarisch-musikalisch-geschichtliche Grundstimmung auch dieses Buches lässt einen abtauchen in die sich dadurch breit machende Leichtigkeit, wirkt aber auch motivierend, sowohl zu einem ausführlichen Kochabend, wie auch zu einem weiteren Abend mit französischer Geschichte und auf alle Fälle zu einem weiteren Abend mit großartiger französischer Musik.
Die Walker-Krimis sind leichte Literatur. Auch trotz der vielen tiefen Themen und geschichtlichen Hintergrundinfos. Faszinierend ist dabei aber auch weiterhin die Figur des Bruno. Er leistet in seinem Beruf nichts Großartiges. Viele seiner Erfolge schafft er wahrlich nicht alleine und gerade darin zeigt sich ein Bildungsaspekt, den es nachzumachen gilt. Bruno ist kein besonders schlauer Ermittler, seinen ganzen Erfolg hat er aus einer einzigen Eigenschaft heraus, die er einfach perfektioniert: Der Lust und Neugierde an den Mitmenschen. Bruno leistet eines: Er bringt Menschen zusammen, er schafft Netzwerke, Kontakte und das an Stellen, in Situationen und unter Menschen, die sich sonst nie zusammenfinden würden und damit auch nicht zusammenwirken würden. An seinem Essenstisch versammeln sich Menschen unterschiedlicher Nationalität, Gesinnung, Berufsgruppen, Alter, … die eines dann doch vereint, die Neugierde am Leben, die positive Grundeinstellung, das Verlangen und die Sehnsucht nach dem Besonderen.
Ganz schlicht: Bruno ist Netzwerker, ja er betreibt Friendshiping! Das mag manchen so einfach erscheinen, ja banal, das ist es aber nicht, denn es steckt die tiefe Wahrheit dahinter, dass unser Leben so viel einfacher wäre, wenn wir dieses banale tun, mehr miteinander reden! Wenn wir äußere und innere Mauern, Denkmuster etc. abbauen würden.
Dieser Aspekt wird in diesem Band verstärkt mit der mehrmals wiederholten Liedzeile der großen J. Baker „J’ai deux amours, mon pays et Paris“ – Es ist wohl die bekannteste Liedzeile der Sängerin, es ist der Titel ihrer Biografie, und es ist die Erinnerung, dass es in jedem Leben mehr gibt als nur eine Sichtweise, eine Liebe, ein Leben. Wer Frau Baker auf den Bannanenrock reduziert, der hat ihr Leben nicht verstanden, wer einen Menschen auf eine Erfahrung, Ebene reduziert, der hat das Leben nicht verstanden.
Mir ist in diesem Buch endlich aufgegangen, warum ich diese Reihe wirklich lese. Weil ich gerne so sein will und es teilweise bin (oder mal war) wie Bruno. Das was Bruno tut, will ich auch tun, denn ich denke es ist das, was ich für die Welt tun kann: Menschen zusammenzubringen, Beziehungen schaffen! Das ist großartig, das verändert die Welt. Und in meinem aktuellen beruflichen Tun merke ich gerade, dass es dringend Not tut. Die Welt und damit auch die Kirche krankt genau daran, dass wir nichtmehr miteinander an einem Tisch sitzen, nicht nur ritualisiert in der Liturgie, sondern in all unserem Tun. Setzen wir uns wieder mehr an gemeinsame Tische, statt krampfhaft (wie ich in den letzten Tagen andauernd von einem gestrigenhören muss) „politisch zu denken“ und Abgrenzungen zu verfestigen.
Selbst so ein schlichter Krimi zeigt uns was fehlt!