Israel 2017 Vierter Tag

 

Heute hatten wir das Buch Exodus als Lesestoff. Die Israeliten in Ägypten, der Auszug aus Ägypten, die Wanderung, die Verkündigung der Gesetze am Sinai, das Goldene Kalb und die Abkehr des Volkes von Gott, die nochmalige Verkündigung der Gesetze und der Bau der Stiftshütte und die Einsetzung der Priester, angefangen mit Aaron und seinen Söhnen … all das sind die Geschichten in diesem Buch.

Beim Lesen beschäftigte mich so Schlagworte wie „Herz“, das immer wieder auftaucht. Der Pharao der ein hartes Herz hat, dann an anderer Stelle wie das Volk ein hartes Herz bekommt, also das irgendwie übernimmt, diese Ablehnung gegen Gott oder die Frage nach dem Herz und der Gabe von Almosen/Abgabe. Das Herz ist wichtig hier. Es ist der Ort an dem sich wohl entscheidet ob ich für oder gegen Gott bin.

Dann der Ruf „Fürchtet euch nicht“ – immer wieder kommt dieser Ausruf. Die Nähe zu Gott ist eine Situation die Angst macht, die Furcht schafft und die es gilt zu verändern – eventuell zur Ehrfurcht.

Nochmal stellt sich die Frage nach der Nähe Gottes zu seinem Volk. Wer kann ihn sehen? Gott zeigt sich, ja das Volk kann ihn hören, aber sehen darf ihn Mose. In seine Nähe dürfen Aaron und seine Söhne und die Ältesten. Wie in der Genesis ist Gott bei seinem Volk, er geht im Voraus (Auszug) und er wohnt unter ihm/bei ihm (Stiftshütte). Es ist eine Nähe die faszinierend ist. Wie glücklich wären ich doch manchmal, wenn Gott so direkt mit mir ins Gespräch ging, so klar und direkt. Wie schwer ist es doch immer wieder – also für mich – das rechte Maß der Ruhe zu finden um ihn zu hören, die Weite zu bekommen um ihn zu „erahnen“ und das was er will.

Barmherzig ist der Gott, Barmherzig und Gerecht, so beschreibt er sich selber und daneben stehen dann so Bilder wie die Plagen in Israel, die Ermordung der Abtrünnigen und viele andere grausame Momente. Gerade hier zeigt sich, dass wir diesen Text nicht einfach als Text, als Literatur lesen dürfen sondern in Kontexten. Zum Beispiel braucht es die Frage: Warum ist ein sich Abkehren von Gott so ein schlimmer Schritt, dass er mit Tot bestraft wird? Was will uns dieses Bild sagen? Was ist Leben und was ist Tot?

Barmherzig ist er also und Gerecht. Dazu gehören auch die Gesetze, die Forderungen an sein Volk so und so und nach seinen Regeln zu leben. Sie mögen uns an manchen Stellen archaisch anmuten, aus einer agrar geprägten Welt und doch haben sie nur eines im Sinn: Leben!
Gerade die Auseinandersetzung mit den Gesetzten ist mir heute möglich gewesen, da ich neue Blickwinkel durch das wiederholte Lesen bekommen habe. So viele kleine Kleinigkeiten tauchen auf an Stellen von denen man meinte, dass man sie kenne.

Sorry schon wieder das gleiche Thema wie gestern: Berufung, Priesteramt, aber das umtreibt mich nunmal: Ein paar Stellen haben mich heute ganz persönlich getroffen. Eine davon ist diese: „Und du sollst ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte die du den Kindern Israel sagen sollst. Und Moses kam und berief die Ältesten des Volkes und legte ihnen all die Worte vor, welche der Herr ihm geboten hatte, und alles Volk antwortete einmütig und sprach: wir werden alles tun, was der Herr sagt. Und Moses überbrachte dem Herrn die Worte des Volkes (…)“ (Exodus 19, 5).
An anderer Stelle wird Aaron Priester und in seiner Rolle ist er schwach und versagt (er gibt die genauen Anweisungen zum Bau des Kalbes, da er sich nicht gegen das Volk stellen kann) und als Mose ihn zur Rede stellt kommt zuerst: Ja, aber das Volk…

Es wäre jetzt einfach zu sagen: Priester sind auch nur Menschen. Das reicht nicht. Edith Stein schreibt: „Christus ist Gott und Mensch, und wer an seinem Leben Anteil hat, muss am göttlichen und menschlichen Leben Anteil haben.“ Menschen des geweihten Lebens, Ordensbrüder, Ordensschwestern und Priester haben in einem besonderen Maße Anteil an Christus. Sie sind selbst und zuerst nur Mensch aber als diese Menschen sind sie aber auch geweihte Menschen. Die Priester sind „aus der Reihe der Menschen bei Gott bestellt {…} um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen“. (Johannes Paul II.). Priester sollen Sacerdos (geweiht/heilig) werden bzw. sich auf diesem Weg, auf dieses Ziel hin sich befinden. So ist die Theorie, so ist (vereinfacht) die Lehre der Kirche und gerade deshalb darf es nicht heißen „Priester sind auch nur Menschen“. Natürlich sind sie Menschen und natürlich versagen sie immer wieder, so wie jeder andere Mensch auch. Der Schmerz des Versagens ist aber in einer gewissen Form größer, denn es geht darin nicht um sie sondern darum, dass sie schlussendlich in ihrem von Christus gegebenen Dienst am Menschen versagen. Das sind hohe Worte. Wenn diese genannt werden, dann reagieren manche Menschen darauf und sagen: Die sind doch nichts besseres als wir! Ja und das stimmt auch, denn wir sind alle Volk Gottes. Priester sind nichts Besseres, sie haben – so denke ich – allein eine weitere Aufgabe, eine Aufgabe die schon allein darin irgendwie anders ist, da sie nicht von einem selber kommt sondern von Gott und eben nicht für sich und im schönsten Fall für eine Familie bestimmt ist sondern für den Mitmenschen, auf den – auf alle – Mitmenschen hin ausgerichtet ist. Priester sind herausgerufen um neu und anders hineingestellt zu werden in das Volk Gottes, an die Seite jener Menschen, die Gott suchen, an die Seite aller Menschen.
In diese Aufgabe, in diesen Dienst hinein fühle ich mich gerufen.
Das sind hohe Forderungen, ja unmenschliche Forderungen. Diese sind auch nur dann (annähernd) erfüllbar wenn der Priester die (Lebens-)Form findet (zulässt), um das auch zu leben. Da hilft ihm die Kirche, da sollen ihm die anderen Mitchristen helfen, da hilft zuerst und zuletzt Gott, denn ohne ihn erreichen wir gar nichts.
Heute in der Abschlussrunde nach der Lesezeit hatte ich das Gefühl, dass das Beispiel des Aaron mir hilft, mich entspannt und mir ein bisschen die Angst vor diesem riesigen Ziel nimmt, aber wenn ich das jetzt am Abend weiterdenke, kommt die Frage, ob das dann so ist, dass ein Fehler, eine Schwäche, ein Versagen des Priesters an irgendeiner Stelle ein Zeichen dafür ist, dass er eben noch nicht ganz in Gott ist, dass er eben noch auf dem Weg zur Heiligkeit ist …? Das ist dann ein Scheitern, ein stürzen. Wieviele Stürze verkrafte ich? Ach, ich mache mir zu viele Sorgen. Ach ich brauche wohl noch einige weitere solche Gedankenphasen und Zeiten im Gebet um die Antwort zu finden, die mich beruhigt und mich mit sicherem Schritt ausschreiten lässt auf diesem Weg. Noch ist es einfach ein zu zaghaftes, vorsichtiges Vorwärtstappsen … immer so mit einer Fussspitze vorfühlen, wohin es geht und wie beschaffen der Weg gerade ist … Herr schenke mir die Kraft des Wissens und des Vertrauens, wie die des Psalmist der sagt: Und wanderte ich auch in finsterer Tal …(nach Ps 23).

Zum Abschluss des Tages waren wir bei der Lichterprozession in der lateinischen Verkündigungskirche. Lichter in der Nacht, gemeinsames Gebet und gemeinsames Singen schafft stehts eine ganz besondere Stimmung. Da ist dann schon was an Stimmung in mir. Ist es despektierlich, ist was mit mir nicht in Ordnung, wenn ich eingestehe, dass ich bei einer Auferstehungsfeier am Samstagabend in Taize oder bei einem schlichten Werktagsgottesdienst mehr in ein Gebet und in eine Stimmung des Dialogs hineinkomme? Ach, wieso ist das alles so schwer?

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