Vor einiger Zeit hatten wir einen Termin im Ordinariat zu einem Interview. Herr Waldraff von der Pressestelle hat uns interviewt damit er kleine Tonbeiträge an verschiedene Radiostationen im Land versenden kann um damit auf unsere Bibelreise und auf die Priesterausbildung hinzuweisen. Der Termin war an einem Freitagmorgen und die Fragen waren nicht abgesprochen. Spontan sollten wir auf die Fragen eingehen. Das ging sehr schnell und schon kurz danach wusste ich eigentlich nicht was die Fragen waren und was ich gesagt habe. Und heute höre ich das Gespräch auf der Internetseite des Erzbistum wieder. Komisches Gefühl – und doch irgendwie gut. Im großen und ganzen finde ich meine Antworten ganz O.K. – in Anbetracht der Situation. Eine Frage ist aber die entscheidende Frage: Warum werden Sie Priester? Die Frage ist echt existenziell und ich merke, irgendwie brauche ich da immer wieder mal einen schupser um da eine direkte und klare Antwort zu geben. Nicht weil ich die Antwort nicht kenne, sondern weil mir irgendwie noch immer der Mut fehlt es laut auszusprechen. Denn sobald ich das tue, werde ich angreifbar – noch angreifbarer als eh schon, denn die Antwort die darauf kommt ist keine die ich mit Zahlen und Fakten untermauern kann. Es geht hier um eine andere Wirklichkeit, um eine Erfahrung mit Gott. Noch immer geht mein Herz schneller, wenn ich darauf antworten soll. Was soll ich sagen, wie viel davon gebe ich preis? Oft schraubt man auch ein bisschen dran herum, manchmal auch mit der Frage im Hinterkopf, was wollen die Menschen hören, welche Antwort passt zum bestehenden Priesterbild dieser und jener Gruppe. Das ist dumm, wenn man das im Kopf hat, aber so ist es, auch die eigene Berufungsgeschichte brauch den einen Moment um sie zum ersten Mal laut zu sagen.
Heute ging es um das erste Buch der Bibel. Nach einer Einführung durch unseren Kollegen in das Buch (Inhalt, Theologie, Genese etc.) ging es daran das Buch Genesis mit dem Wissen darum, dass wir im Heiligen Land sind, zu lesen. Im Einführungsvortrag sagte Daniel, dass die Genesis und ihre Geschichten wohl zu den großen Themen gehört, die die meisten Menschen kennen. Nahezu jeder dürfte irgendwas daraus kennen, Ob Adam und Eva, Noach oder Abraham oder die Josefsgeschichte, irgendwas ist immer bekannt. Und so ist es ja auch in unserem Kreis.
Die ganze Bibel am Stück habe ich vor vielen Jahren gelesen und danach immer mal wieder ein Buch, immer mal wieder ein Teil. Manche kennt man fast auswendig und merkt dann nun heute, dass kleine Wörter, kleine Begebenheiten in all den Jahren doch übersehen wurde. Jetzt – im Wissen um den Ort und die Intension die uns herführte – ist das Buch fast neu. Irgendwie hab ich fast den Vortrag nicht abwarten können um ans Lesen zu kommen. Irgendwie war ich aufgeregt und war gespannt, was mich Neues erwartet.
Neu ansprechend waren die Berufungsgeschichten. Ganz besonders die des Abram, wie JHWH ihm am Anfang sagt, zieh weg aus dem Land und von deiner Familie und was macht er, er hört – glaube ich nur halb zu – und zieht zwar weg aus dem Land aber nimmt Familie (Lot) mit. Er schafft es nicht von Anfang an sich auf JHWH ganz einzulassen. Und dieses Halbe geht nicht. Es gibt Probleme, Sorgen bis sie sich dann trennen und es aufwärts geht.
So viele Fehler macht Abram, selbst noch als Abraham. So viele Fehler machen Isaak und Jakob und immer, immer wieder steht JHWH da und hält die Hand hin zum Aufhelfen. Er ist dabei. Die Erzväter und Erzmütter spüren es, der Himmel ist durchlässig, die Nähe JHWH kann radikal sein.
Die Genesis ist ein Buch des Aufbrechens, des Anhaltens, des Anfangens und des Scheiterns, es ist ein Buch in dem es um Heimat geht um ein Zuhause, um Familie und Bündnisse. Es geht um Verortung. Verortung des Lebens, des Glaubens … JHWH verspricht ein großes Volk und ein gutes Land, JHWH verspricht ein „zuHause“ und eine „Heimat“ … aber in all diesem hin- und herziehen der Familien stelle ich mir die Frage: „Es geht doch um die Erkenntnis: Allein in JHWH sein ist die Heimat die gesucht wird und die es sich lohnt zu erkämpfen, oder?“
Dieses graben nach Brunnen, dieses immer wieder zurückkehren zu den Eichen von Mammre, dieses kaufen von Land für Grabstädten, das berührt mich. Es geht um eine Verortung auch hier. Es geht darum, dass etwas bleibt. Das ist zutiefst menschlich. Da geht es um Erinnerung und um die Absicherung: Hier habe ich Wurzeln, ich bin nicht Wurzellos sondern habe eine Vergangenheit und eine Zukunft. Diese Liebe zum Land und den Wurzeln, ohne festzuklammern, immer mit dem nötigen Maß der Freiheit, das spricht einiges an, was mich in meinem Leben umtreibt. Das erinnert mich an die Frage selbst: Woher komme ich, welche Wurzeln habe ich … oder wie gehen wir alle mit der Vergangenheit um, mit unseren Toten und den Sterbenden, denn auch diese haben eine ganz große Rolle in diesem Buch der Genesis.
Was mich noch aufhorchen ließ ist das Thema der Gastfreundschaft in diesem Buch. Immer wieder kommt die Szene, dass Gäste, Fremde eingeladen und bewirtet werden. Egal wer, oft erkennt der Einladende nicht, dass es JHWH ist, oder Verwandte, erst später … das Gastrecht ist entscheidend; so entscheidend, dass Lot (Gen 19,8 f.) sogar seine Töchter für das Gastrecht opfern will. Welch eine Tat, welch eine tiefe Güte für den Fremden.
Berufung, Verortung, Herausrufung, Auftrag, Wurzeln, Gastfreundschaft, Sorge um den Nächsten … Themen die mich berühren. Die ich beantworten muss- im Gespräch mit IHM – für mich, damit ich Rede und Antwort stehen kann … und Zeugnis ablegen kann. Es bleibt spannend, was da noch für Fragen kommen und welche Antworten da noch in mir reifen … die ersten zwei Tage sind intensiv, die nächsten werden es sicher auch.
Eine Wohltat war das heutige Wetter. Es ist zwar kalt, aber die Sonne heute Mittag war ein besonderes Geschenk. Das tat echt gut im Windschatten draussen zu sitzen.
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