„Unterwegs fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen?“ (Mk 8,27).
Der Vers aus dem heutigen Tagesevangelium mag passen wenn man hier her nach Nazareth kommt. Die Stadt ist nach den Einwohnern voll in muslimischer Hand. Nach den auffälligsten Bauten aber klar von Christen geprägt. Beide Religionen leben hier, in beiden Religionen gibt es ein klares Bild zu Jesus. Erstmal mag es also kein Problem hier geben wenn wir auf einer rein pragmatischen Ebene bleiben. Ob Messias oder Prophet – ein Geburtsort ist erstmal was besonderes, also ein Ort an dem man an diesen Menschen denken kann. Aber hier stellt sich trotzdem die Frage: Was denken wir von diesem Menschen Jesu, der hier gelebt hat? Die Frage wird von Petrus beantwortet, aber ich denke jeder von uns muss sie selber für sich beantworten. Für sich, denn auch im Christentum – so erscheint es mir hier, so erscheint es mir für mich – fällt die Antwort mit unterschiedlicher Gewichtung aus. Warum? Weil manche von uns eben wie Petrus und all die anderen Nachfolger eine andere Folgerung ziehen aus der Antwort: Du bist Christus! Für Seminaristen, für Priester, denke ich, muss darauf noch ein „fiat“ folgen. Eine Zusage, dass ich mich ganz öffne, bereit bin Nachfolger, Erbe zu sein; also einen Schritt zurückzutreten werde. Petrus hat in der Perikope bei Markus 8 seine Schwierigkeit damit. Er will den Jesus so wie er es sich vorgestellt hat und damit auch wie er sein Leben vorgestellt hat. Die Zusage, dass Jesus der Christus ist, bedeutet aber: Lass alles von dir abfallen, lass dich ganz ein auf das was kommt bzw. was dir gegen wurde und wird.
Die Geschichte geschieht nach dem Neuen Testament in Caesarea Philippi, bzw. auf dem Weg dorthin. Wir stehen aber hier nun in Nazareth, in jenem Ort an dem Jesus gelebt hat, Josef gearbeitet, der Engel Maria erschienen ist. Es ist aber auch der Ort an dem Jesus gepredigt hat und von seinen eigenen Nachbarn aus der Stadt getrieben wurde.
An was glaube ich? Die Frage stellt sich mir jeden Tag, aber heute, hier an diesem Ort, ganz neu, ganz anders. Ertrage ich diesen Jesus und die Botschaft, ertrage ich es, dass so vieles sich ändert je näher ich mich an ihn annähere. Natürlich geht es nicht um mich und doch geht es auch um die Frage, ob ich stark genug bin um mich ganz aufzugeben. Volles dienen, volles Leben in der Nachfolge ist tägliches arbeiten, oft genug Kampf darum. Mir fällt Paulus ein, der von einem gut gekämpften Kampf spricht. Mir fällt Mutter Teresa ein, die verzweifelt die Dunkelheit ertragen hat, mir fallen so viele ein … hier an diesem Ort.
Man kann – ich kann – an jedem Ort dieser Welt an Christus glauben. Ich brauche diesen Ort Nazareth nicht für meinen alltäglichen Glauben und doch merke ich, dass ich diesen Ort – an dem immer wieder das Wort „hic“ auftaucht – für meinen Glauben brauche. Irgendwie wehre ich mich dagegen, ich mag diese Reliquienfrömmigkeit und so manch einen Kult drum herum nicht, deshalb habe ich so meine inneren Probleme damit, mit diesem Ort, mit dieser Frömmigkeit (ohne sie abwerten zu wollen, andere finden hier etwas besonderes), und doch: Auch ich brauche diesen Ort, das merke ich hier in dieser Kirche. Ich brauche diese Verortung, denn sie zeigt mir: Hier sind Wurzeln des Glaubens, meines Glaubens. Es ist nicht nur etwas geistiges, an Christus glauben ist etwas handfestes, etwas greifbares. Christus ist in aller Unfassbarkeit als Jesus fassbar. Hier – hic- an diesem Ort.
Es gibt zwei Verkündigungskirchen. Eine der lateinischen und eine der orthodoxen Kirche. Die orthodoxe Kirche ist ein Traum. Wunderbare Malereien, Ikonen die etwas von der Heiligkeit erahnen lassen. Weirauchgeschwängerte Luft und eine Aura die schweben lässt. Ich fühle mich wohl hier. Meine Augen lassen sich darauf ein, mein Geist wird angesprochen von Schönheit und Ästhetik.
Die lateinische Kirche ist ein Bau aus den 1960igern. Typischer Stil jener Zeit. Modern, eher pragmatisch. Reduziert! Kaum was für meine Sehnsucht nach Schönheit. Aber als ich so in der Oberkirche stand kam es mir so: Es ist gut so. Nichts gibt es hier was einen ablenkt vom Wesentlichen. Nichts lässt einen abschweifen, kaum etwas lenkt ab; Du als Pilger bist selbst verpflichtet einen Zugang zu finden dich zu öffnen, wie die Decke der Unterkirche hin zur Oberkirche und dann nach Oben in die Kuppel, hier zwischen all dem Beton, den Steinen und Säulen … franziskanisch geht es hier nur um das Wort, das gesprochen wurde und nun an mich, den Pilger gerichtet ist.
Der Gang durch den Ort ist fad. Schon beim ersten Mal in Nazareth hatte ich – ausser in den Kirchen – nichts was mich reizte, ansprach, forderte. Ich finde Nazareth nicht ansprechend, wobei ich gestehen muss, dass es diesmal nicht so dreckig, so laut und so unangenehm ist wie dieses Mal. Liegt es am Wetter, hat der Regen vieles weggespült, ist es der andere Ansatz zu dieser Reise?
Das pragmatische einer Reise gehört auch dazu. Geld wechseln, Einkäufe, Absprachen zu den Aufgaben die jeder hat, Küchendienst, Kochdienst … es gehört dazu und muss besprochen werden. das mussten wir heute auch erledigen und so war der Tag dann ausgefüllt. Eindrücke und Erfahrungen kommen von selbst und fordern ihre Zeit. Heute Abend habe ich zum ersten Mal bewusst den Muezzin rufen. Irgendwie gefällt mir das. Hier, so frei auf dem Vorplatz unseres Hauses ist dieser Ruf für mich nicht mehr als Ausdruck des Glaubens. Wie traurig ist es doch, dass ein Glaube an Gott so einen schlechten Ruf hat, aktuell so viele Vertreter hat, die nicht Liebe sondern Hass predigen. Herr, lenke die Geschicke der Gläubigen und gib uns allen die Kraft gegen Hass und Terror aller Facetten anzugehen.
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