Der Vorstehersitz

In der Herder Korrespondenz vom Mai 2019 weist Benedikt Kranemann auf einige Punkte in der Liturgie hin, die angesichts der Missbrauchsfälle, der Frage nach einem Klerikalismus, neu in den Blick genommen werden sollten. Dabei geht er auch auf den Vorstehersitz (S. 16) ein und greift ein Punkt auf, den ich schon lange, gerade im Kreis von Freunden, hinterfrage.

Immer wieder treffen wir in Kirchen auf Vorstehersitze, die bis hin zu kleinen Thronen herausgeputzt werden. Viele Sitzanordnungen für den Vorsteher sind so, dass sie der restlichen Gottesdienstgemeinde gegenübersitzen. Aber warum? Dieses Gegenüber und oft genug, durch den Chorraum, die Erhöhung schafft Trennungen und bietet Raum für Botschaften, die doch nicht gewollt sind, oder? Welche Ziele werden mit diesen Vorstehersitzen verfolgt und in wieweit ist dieses recht neue Möbelstück im Kirchenraum förderlich für die Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils in der „die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen“ ja gefördert und „institutionalisiert“ werden und damit der Aspekt des gemeinsam pilgernden Volk Gottes und dem allgemeinen Priestertums hervorgehoben werden sollte.

Immer wieder wird betont, dass die Positionierung des Vorstehersitzes und der anderen Sitzgelegenheiten im Kirchenraum zeigen sollen, dass man sich um den Altar herumgruppiert. Angesichts des Kirchenraumes war mir das aber nur sehr selten ganz schlüssig und ich stellte und stelle mir die Frage, ob die meisten der heutigen Raumkonzepte wirklich eine Entwicklung im Blick haben oder in erster Linie eine Abwendung zementieren wollen/wollten. Sind Vorstehersitz und Anordnung von Kirchenbänken wirklich eine Antwort auf die neu beachteten theologischen Ansätze oder nur ein „nein“ zum Hochaltar und manch einer da hineininterpretierte Theologie bzw. ein nein gegen Auswüchse der „alten“ Liturgie?

Nicht, dass man mich falsch versteht. Ich bin keiner, der die ordentliche Form abschaffen will. Vielmehr stelle ich mir die Frage ob es nicht in der letzten Liturgieform Aspekte gibt, die eben eher nur aus einem „nein“ heraus entstanden sind.

Ich persönlich plädiere dafür, dass der Vorstehersitz neu ausgerichtet wird. Unter zwei Aspekten: Auf Christus hin und nicht dem Volk entgegen oder gegenüber. Da ich voraussetze, dass bisher das Volk auf ein Kreuz, auf den Tabernakel sich hin ausgerichtet hat, wäre es für mich somit logisch, dass der Priestersitz aus dem klassischen Konzept des Chorraums (wieder) herausgenommen wird und er sich einfügt, als Vorsitz, in das bisher dem Volk zugeordneten Konzept Daher: Stellen wir doch passende Stühle/Sitzgelegenheiten z. B. in einen Mittelgang, dort hin wo die erste Reihe der Kirchenbänke beginnt o. ä.. Dabei ist es zweckmäßig, dass der Vorsteher nicht einfach in die erste Reihe der Bänke sich setzt. Er/Sie braucht Bewegungsfreiheit und hat den Vorsitz innerhalb der Gemeinschaft, das soll schon sichtbar sein.

Mit dieser Veränderung würde der Aspekt der Prozession, der Bewegung, wie Guardini sie hervorhebt, wieder sichtbarer werden. Darüber hinaus würde sich klarer zeigen, wo und wie der Vorsteher eben seine Vorsteherrolle ausfüllt und wo er Christ unter Christen ist. Eine gemeinsame Gebetsrichtung wird hier sichtbar und ein bisher oft ungutes „Gegenüber“ verhindert. Die Einheit des Volkes kann so stärker herausgearbeitet werden. Alle gemeinsam sind wir Hörer des Wortes. Auch eventuell ganz besonders der Priester, denn sein Dienst ist der Dienst der Einheit und die kann nur gelingen durch das Wort und durch die Memoria.

Eventuell könnten sich einzelne Gemeinden, die in den letzten Jahren den Altar mehr in das Zentrum des Kirchenraums gerückt haben, die Frage sich stellen, ob es auch am Altar einer Neuausrichtung bedarf. Dies sollte aus meiner Sicht kein gesamt-kirchlicher Wandel sein, denn ein pauschales zurück zur Zelebration des Priesters an irgendwelchen fernen Hochaltären mag zwar ästhetisch schön sein, aber ersehe ich nicht als passend. Aber auch hier, beim Thema des Hochaltars, gerade in kleineren Kirchen und Kapellen, sollten sich Gemeinde und Leitung nochmal stärker die Frage stellen, was stimmig ist und wie gemeinsames hören und beten, wie „die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen“ im konkreten Gottesdienstraum wirklich gefördert werden kann – ohne kirchenpolitische Beweggründe und ohne Selbstinszenierung einzelner Personen und Gruppen (was eventuell zur Entsorgung von zu vielen Möbelstücken und so zu mehr Spielraum, Bewegungsraum führen könnte).

Eine Antwort zu „Der Vorstehersitz”.

  1. Das sehe ich genau so! Gut lutherisch! Jöb

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