Wie schon an anderer Stelle vorgestellt erscheint seit einiger Zeit im Diogenes-Verlag eine Krimireihe von Mick Herron. Zwischenzeitlich ist der dritte Band der Krimireihe um abgeschobene MI5-Mitarbeitende, also um jene Frauen und Männer die ihren Arbeitsalltag in Slough House verbringen, erschienen. Unter dem Titel der Lahmen Gäule versammelt der MI5 all jene, die nicht ins System passen. Agenten, die einen Fehler begangen haben, die Intrigen zum Opfer fielen, die AlkoholikerInnen waren, … . Sie arbeiten alle in einer Bruchbude, einem Drecksloch, das sich Aussenstelle des MI5 nennt. Sie alle sind abgeschoben, versehen mit Büroarbeit, die allein dazu führen soll, dass diese lahmen Gäule irgendwann ganz aufgeben und kündigen.
Sie werden nicht ernst genommen, sie stehen auf keine Einsatzsliste mehr, die Agenten und doch dreht sich plötzlich wieder alles um sie. Die Vergangenheit holt diese Menschen ein. So zumindest im Falle der unscheinbaren Mitarbeiterin und Assistentin von Jackson Lamp, dem „Leiter“ dieser Aussenstelle; für Catherine Standish. Für sie kommt die Vergangenheit sehr plötzlich zurück. Mitten auf der Strasse, in einer blauen Stunde trifft sie auf einen ehemaligen Sexpartner und damit auch auf eines der Geister die mit ihrem Alkoholismus einhergehen. Die blaue Stunde wird zur dunklen Nacht in die sie eindringt, in jenem Moment in der der ehemalige Bettpartner sie kidnappt und sie damit zwingt sich noch intensiver mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es bleibt nicht bei dieser schlichten Entführung. Die Kidnapper haben mehr vor, als der erste Eindruck, die ersten Situationen vermuten lassen. Schnell zeigt sich, dass mehr dahinter versteckt. Dabei sind die gescheiterten Agenten schnell bereit auf die Forderungen einzugehen, denn ein erfolgreicher Einsatz und, so sind alle der Meinung, sind sie zurück im aktiven Dienst des MI5.
Aber das was sich am Anfang zeigt, ist nur die Spitze eines Eisberges aus Intrige und Korruption. Wie schon in den vorherigen Büchern zeigt sich, dass der kalte Krieg zwar vorbei ist, die Altlasten, Denkweisen und Systeme noch immer darin verhaftet sind. Allein die Schlag- und Kampfrichtung hat sich verändert. Nun geht es nicht mehr um die Feind im Osten, sondern im die Intrige im System.
Während Catherine einen Kampf mit einer kleinen Flasche Wein und damit mit ihrer Vergangenheit austrägt schlittern die gescheiterten Agenten des MI5 wieder mitten hinein in das Geschehen. Sie werden erneut zu den Spielbällen derer, die das System (vermeintlich?) leiten. Die Frage bleibt bis zum Schluss, ob sie den politischen Ränken zum Opfer fallen.
Mick Herron lässt den Lesenden immer tiefere Einblicke in das Leben der Protagonisten nehmen. Dabei geht es nicht nur um die lahmen Pferde. Es gibt auch Einblicke in eine politische Welt, die sich selbst zerfleischt. Die noch immer versucht sich neu zu ordnen, neu die Feinde zu benennen und mit veralteten Mittel auf neue Prozesse zu reagieren. Herron zeigt dies alles im Spiegel auch des Lebens der lahmen Pferde; die Vergangenheit, ihre Sorgen, Probleme, ihre Schwächen aber auch ihre Kompetenzen treten auch dieses Mal wieder einen Schritt weiter in das Blickfeld. Von Buch zu Buch verändert sich die Rolle der lahmen Pferde. Immer mehr stellt sich die Frage, wer hier ein echter Tiger ist. Wer sind die schlafenden Löwen und wer und wie werden sie geweckt? Doch einfache Antworten darauf dürfen nicht erwartet werden.
Im Gegensatz zu den beiden ersten Büchern läuft die Handlung stiller und ruhiger. Die Handlung hat weniger drive, denn statt einer fortlaufenden Handlung, die Fahrt aufnimmt, geht es immer wieder in Rückblenden und Einblicken in die Vergangenheit und/oder in die Gedanken und Lebenswelten der einzelnen Handelnden. Der Spannungsbogen wird dadurch doch – im Vergleich zu den vorherigen Büchern – sehr flach gehalten. Erst zum Schluss entsteht ein Plot der fast nicht auszuhalten ist und man als Lesender angetrieben wird immer schneller zu lesen um ja nichts zu verpassen, um ja „drin“ zu sein, „dabei“ zu sein. Was gar nicht so einfach ist, da die Szenen sehr schnell wechseln und ein schnelles lesen die Gefahr birgt von einem überlesen. Das Ende überrascht dabei und ist zum ersten Mal so gestaltet, dass Erwartungen entstehen über die Sehnsucht hinaus mehr zu erfahren.
Der dritte Band ist inhaltlich absolut innerhalb der Reihe. Trotzdem hat sich was verändert.