In einem Newsletter, den ich abonniere beginnt die sonntägliche Zusammenstellung mit einem Editorial in dem geschrieben wird „Das Ibiza-Video steht emblematisch für unsere Zeit. Es belegt die Verlogenheit von Populisten, die auf Eliten schimpfen und sich selbst noch um ein vielfaches schamloser benehmen. […] Es ist eine Drohkulisse für jeden Menschen, der Wert legt auf seine Privatsphäre, denn auch ohne den ausgebufften Einsatz von SchauspielerInnen sind wir wohl alle mehr oder weniger erpressbar mit Äußerungen, die wir irgendwann einmal betrunken oder nüchtern gesagt oder getan, geschrieben oder geschrien haben.“
Da gibt es viele Aspekte, die besprochen werden sollten. Ein Thema möchte ich herausgreifen; die Privatsphäre!
Ich verteidige die Privatsphäre und sie ist mir wichtig, aber was verstehen wir denn eigentlich darunter und was gilt es da genau geschützt? Hier geht es um eine Privatsphäre als Gegenstück zur Öffentlichkeit und damit wird diese in ein gewissen negatives Licht gestellt.
Für mich ist Privatsphäre aber zuerst jener Raum, in dem der Mensch zur Ruhe kommen kann, in der er nicht sich auf andere Menschen konzentrieren (muss) sondern sich – in Beziehung mit Gott – in den Mittelpunkt stellen kann. Privatsphäre ist der Raum der Reflexion, des Diskurs, der Erholung, …ein Ruheraum, den es braucht zum Leben.
Privatsphäre ist kein rechtsfreier Raum für den Einzelnen und ist nicht zu verwechseln mit Vertuschung, Geheimniskrämerei und einem moral- und rechtsfreien Raum. Privatsphäre ist nicht ein System in dem ich meine Fehler, Lügen, Taten leben kann und dann wegschließe. Privatsphäre ist keine Ausrede, um ein Leben zu führen, das geprägt ist von (halb)lügen, Ungenauigkeiten, Falschheit und Unehrlichkeit.
Mir stellt sich die Frage, ob wir nicht diese „Erpressbarkeit“ die in diesem Text oben angesprochen ist einfach auslöschen können bzw. wann sie besteht. Sie wird doch ausgelöscht, wenn wir versuchen und daran arbeiten ein Leben zu leben, Dinge zu sagen und zu tun, zu dem/denen wir stehen können. Oder? Wieso versuchen wir nicht nach dem Motto zu leben: Alles was ich sage (tue) ist nur wert es zu sagen (zu tun), wenn ich es öffentlich sagen (tun) kann. Alles was ich nicht öffentlich sagen (tun) kann (Ein paar wenige Ausnahmen gibt es, das bin ich mir bewusst) muss ich dahingehend prüfen ob ich es überhaupt sagen (tun) muss. Die Dinge, die ich tue, zu denen ich nicht stehen kann, die nicht mit meinem Reden übereinstimmen, sollte ich nicht tun. Erpressbar werde ich, wenn ich Taten begehe, die gegen die Gesetze und gegen all das sind für das ich (im Reden) stehe. Erpressbar werde ich, wenn ich andere beleidige, negiere abwerte und in allen Fällen bleibt die Frage, warum tue ich das? Und dabei stellt sich dann nicht die Frage nach der Privatsphäre, sondern nach meiner Moral.
Ist ein solches Leben Utopie? In der Radikalität sicherlich, kein Mensch ist absolut, jeder macht Fehler, aber zu diesen kann ich und muss ich stehen können. Wenn das nicht geht, dann muss sich einiges ändern. Ich selbst und unsere Gesellschaft! Christen müssten das im Alltag schon immer leben: Wer sein Leben vor Christus lebt, der kann es auch öffentlich tun. Wer ein Leben in Christus lebt, muss sich vor Mitmenschen nicht fürchten.