Ehrlichkeit – Grundfrage(n)

Zwei Beispiele: In diesen Tagen gab es eine Rückmeldung, dass ein Herr mich deshalb schätze, da ich grundehrlich sei, ohne auf die Probleme zu achten, die sich daraus ergeben könnten. Vor Ostern gab es eine Situation in der ich für ein verzweifeltes „Warum“ bestraft wurde und darauf reagierten einige Menschen, die meinten: Ach, Björn, halt doch einfach die nächste Zeit deinen Mund. Denk dir deinen Teil, aber sag nix.

Ist das ehrlich? Oder anders: was ist das denn Ehrlichkeit? In den Nachschlagewerken geht es dabei um eine sittliche Eigenschaft und wird oft mit den Begriffen Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Offenheit, Geradlinigkeit und Fairness in Verbindung gebracht. Weiter findet sich die Bedeutung, die wohl bis in das 20. Jhdt. vorherrschte in der Ehrlichkeit mit „nicht lügen“ und „nicht stehlen“ erläutert wurde. Heute – so einschlägige Nachschlagewerke – ist diese Bedeutung der Ehrlichkeit ergänzt oder ersetzt durch eine Haltung des zu sich selbst ehrlich sein, sich reflektiert betrachtend, die eigenen Macken und Vorteile zu kennen und damit umzugehen. Darüber hinaus gibt es die Unterscheidung im Bezuge auf das Reden, und hier eben die Wahrheit zu sagen, und das Verhalten, im Bezug auf nicht manipulativ sein, nicht täuschen und andere nicht schaden.

Die Frage ist also, bin ich ehrlich? Und was mich noch mehr umtreibt: Bin ich es kontinuierlich oder doch zumindest so, dass ich nicht irgendwie als wankelmütig erscheine oder als nicht zuverlässig? Wie kann man denn dauerhaft ehrlich sein? Ist das möglich und wenn ja, wie ist dann mein Leben, mein Lebenslauf?

Es gibt immer wieder Momente, die zwar selten sind, aber doch schon vorkommen, dass ich, statt einen Widerspruch zu leisten einfach schweige und ich habe das Gefühl, dass man dies sehr oft merkt. Ist das die pragmatische Alternative zu einem aktiven Handeln und sprechen? Und bin ich ehrlich im Umgang mit anderen?

In der Bibel heißt es ja: Du sollst nicht falsch Zeugnis geben. Und unser Papst Franziskus mahnt das Lästern, das „Hintenrum“ immer wieder als Problem an. Aber was ist das? Gibt es die Möglichkeit, den Raum über andere zu sprechen, sich mit einem Dritten auszutauschen, um das zu reflektieren, was man wahrnimmt, oder ist das nur eine Ausrede und doch nur lästern? Ist es ehrlich Umgang mit Menschen zu haben, die für einen selbst gefährlich sind, von denen man weiß, sie sind falsch, lügen oder lästern eben sobald du dich selbst umdrehst? Ist es schon Lüge und unehrlich, wenn man in manchen Situationen nur lächelt, wenn man KollegInnen nicht direkt sagt, welche Probleme bestehen, weil es „keinen Sinn hat“ oder ist es da doch besser zu schweigen, oder soll man doch damit leben, dass man dann als dauerhafter Nörgler hingestellt wird?

Ich hüpfe da hin und her mit den Fragen, aber für mich hängt das alles zusammen, denn Ehrlichkeit ist doch eine Grundhaltung, die das ganze Leben ausfüllen soll, oder? Bis ins Kleinste hinein, oder ist das nur Utopie? So oft sehe ich eben diese kleinen Unehrlichkeiten an mir, an anderen Menschen. Tag für Tag erlebe ich Systeme und Strukturen, die unlogisch, fehlerhaft oder gar menschenschädigend sind. Tag für Tag erlebe ich Situationen, zu denen ich zum Abend nachdenke und sage: Da hättest du handeln müssen. Oder gar die Situation, dass man ein Problem erkennt, das existenziell wird aber man schweigt? Das alles erlebe ich in „Kirchens“ aber das habe ich so oft in der freuen Wirtschaft erlebt. Ich habe so oft erlebt: wir haben dort wie hier keine oder zumindest kaum Beschwerdekultur, keine Kritik- und ehrliche Reflexionskultur. Ist da auch schon Unehrlichkeit so drin im Alltag, dass es scheint ich komme da nicht mehr raus?

Eine Antwort zu “Ehrlichkeit – Grundfrage(n)”

  1. ist es nicht vielleicht sogar so, dass man sich selbst dabei ertappt zu denken: bitte lüg! weil die Wahrheit schwierig ist?

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