Gestern kam die Meldung wohl bewusst unauffällig an die Medien. Ein Priester bittet um Entpflichtung. Er kann seinen Dienst als Priester nicht mehr ausfüllen. Diesmal ist das, soweit ich das sehe, eher still und leise und in einem guten Miteinander zwischen Priester und Bischof erfolgt. Da gibt es andere Fälle. Fälle, in denen nach der Entscheidung, gerade auf Seiten des ehemaligen Priesters viel Unfriede mit der Kirche und mit sich selbst besteht. Das endet dann auch irgendwie nie.
Ich habe Extremfälle erlebt, in denen die Priester noch bevor sie mit dem Bischof sprachen es lieber der Öffentlichkeit preisgaben, sich in Zeitungen und Talkshows ausbreiteten. Manchmal wurde fast stolz vom Scheitern des Lebenskonzepts berichtet, davon wie böse die Kirche ist – dabei erfuhren die Bischöfe und Verantwortlich von den Problemen erst am nächsten Tag aus der Morgenzeitung. Und danach kamen und kommen die Bücher und das tingeln durch weitere Gesprächsrunden. Das nehme ich sehr interessiert war und habe oft ein ungutes Gefühl dabei. Für mich stellt sich die Frage: Was ist der Grund für dieses handeln? Und es erinnert mich daran an Eheleute, die gegen ihre Gatten nachtreten, sie verfolgen und nicht zur Ruhe kommen.
Aber eben nun wieder ein Priester, der sich gegen seinem Dienst entscheidet. Das Zölibat nicht meisternd, verabschiedet er sich. Geht! Dabei kommen so Situationen, in denen die gehenden Priester davon sprechen, dass sie es nicht mehr aushalten alleine zu sein. Und in der Gemeinde stehen Menschen, die traurig sind, die jetzt sich verlassen füllen. Wer ist da wann allein?
Aber eben nun wieder ein Priester, der das Zölibat nicht schafft und deshalb geht. Er will endlich wieder ein ehrliches Leben leben. Hat er das davor nicht getan? Was ist ein ehrliches Leben? Zu wem ehrlich?
Aber eben nun wieder ein Priester der geht, der „gescheitert“ ist. Ist das die richtige Version, ist das ein Aufstehen und mutig voranschreiten, oder ein flüchten? Ich weiß es nicht, die Frage kommt mir.
Aber eben nun wieder ein Priester der es nicht schafft. „er schafft das nicht mehr“ – war es irgendwann mal das Ziel, dass es der Priester schafft? Es wird uns erzählt, dass wir Diener sind. Die aktuelle Diskussion fordert ein Ende des Klerikalismus, also Priester die keine Macht, dafür Diener sind. Diener müssen es aber nicht alleine schaffen. Da gibts doch jemand anderer, der einem helfen soll. Das wird uns doch andauernd erzählt. Oder sind das doch auch nur fromme Worte?
Mit Christus gehen – Wieder ein Priester der es nicht schafft und gleich gibts wieder die Rufe: Nur wegen des Zölibats verlieren wir einen guten Priester. Das sind Sätze mit einem Beigeschmack für mich. Trennen sich Paare, nur weil einer „fremd geht“, nur weil einer „die Lebensform nicht mehr will“ – loben wir diesen für die Entscheidung, akzeptieren wir die Symptome als verständlicher Grund für eine Trennung? In der Ehe ist der Ehebruch doch nicht der Grund einer Trennung, sondern der Auslöser für eine wahrscheinlich schon lang fällige Entscheidung. Der Grund liegt doch vor der Tat, oder? In der Ehe sagt man: Zum Fremdgehen gehören mindestens drei. Die beiden Gatten und die dritte Person. Und damit will man doch sagen, dass der Ehebruch schon viel früher beginnt. Wie ist das beim Priester. Fragen wir wo das begonnen hat? Wie ist denn diese „Ehe“ mit Christus verlaufen? Hilft die tägliche Eucharistie, die Zeit des Gebets, Beichte, Anbetung, ein Leben im Alltag umrahmt und geprägt vom Gebet, dem Priester eben dabei die Bindung durchzuhalten, oder ist das ein Ammenmärchen? Gibt es eine Paartherapie auch bei Priestern?
Einer meiner Lieblingsphilosophen Andre Comte-Sponville hat in seinem Buch „Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben“ ein Kapitel zum Thema „Treue“ verfasst. Dabei hat er drei Treuebereiche herausgearbeitet: Das Denken, die Moral, die Paarbeziehung. Wenn wir im Blick haben, dass Treue nicht bedeutet stupide an etwas festzuhalten, was bedeutet das dann wenn wir „Treue im Denken“ behalten? Er schreibt: „Treue bedeutet Weigerung, sein Denken ohne gute und stichhaltige Gründe zu ändern und … für wahr zu halten, was einmal klar und eindeutig befunden worden ist, … Man hat das Recht, seine Ansicht zu ändern, doch nur dann, wenn es Pflicht ist. Erst die Treue zum Wahren, dann zur erinnerten Wahrheit“ (S. 40-41). Treue zum Wahren. Klar Comte-Sponville würde das jetzt nicht wirklich in den Zusammenhang zu Gott und Kirche bringen, aber für mich stellt sich die Frage, wie wir uns im Denken entwickeln. Haben wir uns in der Ausbildung als Seminaristen auf das Denken eingelassen, oder war es doch eher ein Herumgaukeln der Gedanken (Sartre)? Waren wir Treu im Denken und haben wir Grundlagen gelegt, damit wir hier als Seminarist und Priester weitergehen können. Wenn ich mich zur Wahrheit entschieden habe, war es dann eine Entscheidung zu einer Wahrheit die durchdacht ist, oder war es eher nur ein sehnen, ein hoffen, ein festklammern an die Erinnerung einer Wahrheit? – Treue zum Denken, im Kontext des Zölibats, im Kontext einer Lebensform bedeutet doch, sich das gut durchdacht zu haben: dialektisch, logisch! Und später, habe ich an diesem Denken weiter gearbeitet, oder es nur in die Erinnerung abgeschoben, es dogmatisiert sodass es irgendwann haltlos wurde? ….. Hat das eine Logik, was ich da frage? Es setzt voraus, dass der Mensch denken kann, dass die Entscheidung rational durchdacht werden kann, und weiter gedacht werden kann, dass die Entscheidung zu einer Lebensform nicht eine einmalige Sache ist, ein einmaliges Festhalten an einem starren Akt oder Sein, sondern etwas ist, das weitergeht – eben eine lebende Lebensform.
Wenn ein Priester geht, irgendwann sich dagegen entscheidet, dann ist das ein Problem. Nicht weil er als Laie weniger wert sei, sondern weil die Weihe auf die Ewigkeit ausgerichtet ist, wie die Taufe, wie die Zusage Gottes in der Offenbarung.
Wenn ein Priester geht, dann ist nicht er gescheitert. Dann sind wir alle gescheitert. Das bedeutet nicht, dass der Priester weniger Wert ist, oder alle was falsch gemacht haben. Es bedeutet nicht, dass der Priester nicht berufen war. Vielmehr bedeutet es, dass der Priester alleine war. Nicht nur im Pfarrhaus, sondern schon davor, in der Ausbildung, an den Wegkreuzungen, in seinem Gebetsleben eventuell und ganz sicher in der Welt und da in seiner Gemeinschaft, die sich eben Kirche nennt. Eventuell – und das ist eine These zur Diskussion – zeigt sich hier, wie klerikal der Priester gelebt hat, gelebt wurde. Ein dienender Priester, einer aus der Kirche und für die Kirche, kann nicht klerikal, im negativen Sinne des Wortes, sein. Ein klerikaler Priester ist nicht für die Kirche und aus der Kirche.