Huguette Couffignal: Die Küche der Armen

Wer dieses 50 Jahre nach dem Ersterscheinen nochmals herausgebrachte Buch Die Küche der Armen allein als Kochbuch liest, wird dem Buch nicht gerecht. Es ist viel mehr. Es ist ein Essens-Reiseführer, der uns nicht an Orte, sondern zu den Menschen der 1960er Jahre und hin zu dem führt, was zentral ist: die Nahrungsmittelaufnahme. Es ist ein Buch, das den Fokus auf den Hunger legt und die Forderung nach einer guten Ernährung zu einer Zeit in den Raum wirft, in der in Deutschland Aspik und Russische Eier die höchsten Gaumenfreuden darstellten. 
Im ersten Teil des Buches stellt Huguette Couffignal die Hunger- und Lebenssituation der Menschen vor. Auch wenn der Text inhaltlich und sprachlich als Zeitdokument zu lesen ist, wirft er nicht nur einen Blick in die Vergangenheit, sondern bietet Impulse für unser heutiges Essverhalten. Ausgehend von der Reflexion über Hunger und Nahrungsmittel ist es für die Autorin logisch, den Blick auf die Rezepte selbst zu werfen, die die Menschen tagtäglich zubereiten und die auch uns helfen können, ausgewogener zu essen.  
Das zeigt sich besonders im zweiten Teil des Buches. Hier macht die Auflistung von 300 Rezepten aus vier Kontinenten (ohne Australien) das Buch erst zu einem internationalen Kochbuch. Neben den vielen Nahrungsmitteln und Rezepten, die bei dem Ersterscheinen des Buches für die Lesenden kaum nachzukochen waren, hat mich die Rezeptvielfalt, gerade der südlichen, europäischen Länder fasziniert. Vieles mag auch hier heute bekannt(er) sein, aber die Schlichtheit der Rezepte bietet nochmals eine ganz neue Freude in der Lektüre und im Nachkochen. Und so empfehle ich Ihnen dieses Buch als Lesebuch, Nahrungsmittelgeschichtsbuch, Rezepte-Sammlung und als wunderbares Buch für die eigene geistige und stoffliche Hungerstillung.

Huguette Couffignal: Die Küche der Armen. Mit 300 Rezepten aus aller Welt. März Verlag, 26 Euro