Am vergangenen Donnerstag war der Gedenktag der hl. Eltern Anna und Joachim. An diesem Tag musste ich an einen Gottesdienst denken, den wir mit dem Propädeutikums-Kurs in St. Anna, jener alten Kreuzfahrerkirche direkt am Bethesda-Teich mitfeiern durfte. Das Leben der Hl. Anna und die Heilungsgeschichte am Teich wurden für mich dort, an diesem so spirituell aufgeladenen Ort, zu einer starken Gotteserfahrung.
Eine Besonderheit der Kirche der Hl. Anna ist ihre Akustik. Wer dort schon mal gebetet und gesungen hat kennt diesen wunderbaren Nachhall, der das menschliche Wort verstärkt und nahezu als eine Rückfrage an die Gläubigen und Sänger zurückgibt. Der Nachhall, dieser ganz eigene musikalische Korpus der Kirche lädt mich dazu ein, sich zu fragen, welchen Nachhall ich in meinem Leben finde. Welchen Nachhall ich aussende, aber auch welcher Nachhall mich prägt.
Geprägt sind wir von unserer Geschichte. Alles was geschehen ist hallt in uns nach. Ganz besonders aber hallt in uns das Leben unserer Eltern nach. Ihre Weltsicht, ihre Erfahrungen und ihr Leben. Ein Grund warum ich so bin, wie ich bin, das liegt an meinen Eltern, und ganz besonders an den Frauen meiner Familie; Mutter, Oma, Uroma – sie prägten meine Kindheit.
Warum wurde Maria zu einer jungen und mutigen Frau, die völlig frei ihr „fiat“ – mir geschehe nach deinem Wort – aussprechen konnte? Die Antwort finden wir, wie bei jedem Menschen, in ihren Eltern: Anna und Joachim. Maria konnte glauben, weil sie in ihren Eltern, so will es uns die Legende zur Hl. Anna erzählen, Heimat, Geborgenheit und Liebe erleben konnte, die sich im Glauben an den Einen und Einzigen begründet. Die Eltern schufen in Maria einen Resonanzkörper der Liebe Gottes, so wie die Kirche St. Anna in Jerusalem ein Resonanzkörper ist. Der Nachhall Annas ist die Tat Mariens, sie hat Anteil daran, dass das Lied der (Neu)-Schöpfung, das Gott durch den Engel in Maria anstimmte, bis heute in uns nachhallen kann.
Meine Mutter schenkte mir ihre Liebe, eine Liebe, die sie nicht selbst geschaffen hat, sondern erhalten hat von ihrer Mutter und deshalb teilen konnte. Diese Liebe ist ein Abglanz der göttlichen, schöpferischen Liebe und zeigt sich in dem wohl höchsten Ausdruck dieser Liebe, im Geschenk des Lebens, das wir erhalten haben. So spricht jede Mutter für unser Leben ein „fiat“ und lässt Leben und Liebe sichtbar werden in der Mutterliebe. Der Nachhall unserer Mütter, das sind wir, denn mit dem „Ja“ unserer Mütter öffnen sie sich, um die „Geburtszugehörigkeit unseres Fleisches zum Wort des Lebens“[1], die uns die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus wieder ermöglichte, zu ermöglichen.
Es mag für manche ein konstruiertes Bild sein, dieser Nachhall und der Resonanzkörper. Aber wie die Kirche St. Anna, die aufgrund ihres Ortes und ihrer Geschichte schon spricht, bevor darin ein Mensch Worte formt und seine Geschichte mit einbringt, so fordert mich dieses denken an die Hl. Anna auf, auch mich als Resonanzkörper wahrzunehmen. Als Resonanzkörper der Liebe Gottes, der Nachhall schafft durch mein Glaubensleben, das sich im Gebet, im Tun und Reden zeigt. Die heilige Anna war ein Resonanzkörper der Liebe, nutzen wir diesen Impuls den Anna uns schenkt und richten wir uns aus auf unsere Mitmenschen, damit das Wort, das in uns eindringt, an sie sichtbar weitergegeben wird.
[1] Henry, Michel; Inkarnation. Eine Philosophie des Fleisches. Freiburg, München 2002. S. 366.
4 Antworten zu “Hl. Anna – Resonanzkörper der Liebe”
Ich kann das gut verstehen, aber was ist mit dem Nachhall bei denen, die eine schlechte Kindheit hatten, die die Liebe ihrer Eltern nicht hatte, ja vielleicht sogar vom eigenen Vater missbraucht worden? Auch dort gibt es einen Nachhall, nur keinen liebenden, keinen göttlichen. Um wie viel mehr müssen die dankbar sein, die göttliche Liebe erhalten, erfahrbar bekommen haben. Und die anderen, die Unverschuldeten, die es nicht erfahren, spüren könnten?
LikeLike
Danke für deine Rückmeldung. Ja, das ist ein Problem, das ich, so meine ich, am Rande angesprochen habe. Was machen wir, wenn die Begriffe der Familie in unserer Gesellschaft nicht mehr oder negativ gefüllt werden? Mit psychologischen Begriffen, was machen wir, wenn die Rollen, die Menschen im Leben „brauchen“ nicht mehr ausgefüllt werden? Der Mensch braucht die Erfahrung von Vater, Mutter, Großeltern, Geschwister, Freunde – das sind Menschen, das sind Rollen, das sind Beziehungskonzepte die unterschiedlich sind und die wir zum Leben brauchen. Heute gibt es andere Familienkonzepte als früher, trotzdem ist es aus meiner Sicht wichtig, dass Kinder eine positive Erfahrung mit Männern & Frauen machen, dies wäre klassisch innerhalb von Familien, mit und an den Eltern … nun geht das bedingt auch bei anderen Menschen, aber es ist ineffektiv. Ich habe außer diese Überlegungen keine abschließenden Antworten. Wichtig ist mir nur, dass Kinder in ein Umfeld hinein wachsen in der sie positive Erfahrungen mit Männern & Frauen machen können, in denen sie erleben, dass es Menschen gibt, die sie unbedingt lieben, einfach weil sie da sind. Kinder und auch wir Erwachsenen brauchen positive Zuwendung, sonst gehen sie ein – Eltern und Großeltern haben hier eine entscheidende Aufgabe. Und was mich noch beschäftigt ist die Tatsache, dass viele Eltern zwar Eltern und Großeltern haben, diese sich aber um Verantwortung drücken, ja lieber „Freunde“ sind, selber nicht Erwachsen werden und somit den Kindern mehr schaden, als gut tun.
LikeGefällt 1 Person
Guter Eintrag! HG, Christiane
Sehen wir uns am nächsten WE in Rom?
LikeLike
Danke für die Zeit und das Gespräch in Rom.
LikeLike