Ein Ort steht Kopf. So scheint es wohl für Außenstehende also Nicht-Radolfzeller und sicher auch für so manch einem Radolfzeller. Seit Donnerstag geht’s groß her in Radolfzell und das geht noch bis mindestens Montag, für die Kirche die ganzen Tage danach mit gesonderten Gottesdiensten und Veranstaltungen. Und alles wegen den Hausherren. Also um ein paar Menschen, die vor über 1600 Jahren gelebt haben, in Italien, der Türkei und Ägypten.
Da mir zur letzten Fasnet – nachdem ich nun gut 15 Jahre von Radolfzell weg bin – mir von einem Urgestein der Radolfzeller Fasnet diagnostiziert wurde, dass ich Radolfzeller bin, erlaube ich mir zu sagen, dass ich als Radolfzeller stolz auf diese drei Männer bin und auf jenen, der diese drei Männer, genauer Teile ihrer Reliquien, nach Radolfzell gebracht hat. Ich fühle mich auch mit diesen Männern, alle vier auf ihre Art Glaubenszeugen, eng verbunden.
Und somit war es ein wunderbares Erlebnis, wieder einmal zur Festmesse und der anschließenden Prozession und dem Fürbittgottesdienst in Radolfzell gewesen zu sein. Die Kirche und die Stadt ist voll und die Hoffnung keimt ein bisschen auf, dass dies nicht nur Katholiken, sondern in erster Linie Radolfzeller – egal welcher Konfession – sind, die an diesem Tag etwas erfahren, was eben nicht nur empirisch beweisbar ist. Die an diesem Tag merken, dass es hier etwas gibt, das auf alle Fälle über Gefühl und Erfahrung einzuordnen ist. Eventuell lässt sich an diesen Heiligen ein Grundvertrauen zum Leben erspüren, erleben oder finden, welches wir Menschen brauchen. Eventuell gereichen die Heiligen zu Vorbildern von Menschen die für andere einstehen. Eventuell zeigen diese Heilige auch, dass es einen Gott gibt, der dem Menschen und seinem Leben einen Sinn schenkt, Freiheit und Würde. Eventuell bietet dieses Fest die Möglichkeit für alle Menschen einen Raum zu finden, in dem eine Stadt mehr wird, als nur eine Ansammlung von Mauern. Eventuell erinnern uns auch diese drei bzw. vier Männer (St. Theopont, St. Senesius, St. Zeno und Bischof Radolf) daran, dass der Mensch grundsätzlich selbst Verantwortung übernehmen muss und darf für sein Leben und jene, die ihm Nahe sind: Eventuell bietet auch die Internationalität der Heiligen Impulse zum Nachdenken über das was wir aktuell erleben. Eventuell laden sie zu Fragen ein, wie Gesellschaft funktionieren kann, wie eine Welt funktionieren kann, die kaum Nationalitäten kennt. Eventuell … – es gibt viele Zugangswege zu diesen Hausherren und dem Stadtgründer. Wichtig ist allein, dass die Radolfzeller die Chance des Festes nutzen und neben der Feierlaune selbst, einen persönlichen Ertrag herausziehen.
Mir hat dieses Fest allemal was geschenkt. Nicht nur schöne Stunden, sondern auf alle Fälle die Gewissheit einer Verortung, die Begegnung mit altbekannten und neuen Menschen, gute Gespräche, intensiv erlebte Stunden und ganz sicher die Erfahrung: Es gibt einen Gott, der unser Leben begleitet und uns alles zur Seite stellt, was wir zu erreichen bereit sind.