Gedanken zum Terroranschlag von London im Blick auf das Tagesevangelium vom 24. Sonntag im Jahreskreis A: 17.09.2017
„Unsere Stadt verurteilt die widerwärtigen Individuen, die mit Terror versuchen, uns zu schaden und unsere Lebensweise zu zerstören.“ So verurteilt der Londoner Bürgermeister wenige Minuten nach dem neuen Terroranschlag vom 15.09.2017 von London die Tat oder genauer die Täter.
Und wir hören heute ein Jesus der uns ermahnt, erbarmen zu haben und Menschen die böse Taten, die Fehler tun oder Schuld auf sich laden, zu verzeihen (Mt 18, 21-35).
Das ist hart, was da von uns verlangt wird. Da geht es um grundsätzliche Fragen, wie ach die Feindesliebe und die Frage nach dem was nach dem Tode kommt. Es ist hart, aber es ist nun mal die Forderung Jesu Christi und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Es geht darum, dass wir das Himmelreich auf Erden erleben sollen.
Die Menschen die die Terroranschläge gemacht haben – die IS reklamiert den Anschlag für sich – wollen einen Gottesstaat, auch sie wollen die Herrschaft Gottes auf Erden – meinen aber nur eine menschliche Herrschaft. Diesem Fehler dürfen wir nicht nachfolgen. Unser Himmelreich muss anders sein.
Eventuell können wir, die wir aus der Ferne uns das ansehen noch ein bisschen entspannt sagen: Lasst es nicht zu, dass dieser Samen der Gewalt auch wirklich aufgeht. Aber wie reagieren wir, wenn eines der Opfer aus einem Terroranschlag aus unserem Freundeskreis oder aus unserer Familie stammt?
Wenn Jesus davon spricht, dass wir siebenundsiebzigmal verzeihen müssen, dann ist die Zahl nicht von ungefähr sondern bezieht sich auf das 4. Kapitel des Buches Genesis Lamech damit prahlt, dass sein Tot siebenundsiebzigmal gerächt werden wird (im Vergleich zu Kain). Jesus will uns mit diesem Zitat sagen, dass auf Gewalt, auf Sünde, auf Schuld keine gleichwertige Antwort folgen darf. Das wäre der falsche Weg. Das wäre der Weg in den Tot und nicht in das Leben.
Jesus verdeutlicht uns das im Gleichnis. Der König ist Gott und dieser Gott handelt voll Erbarmen. Unsere Taten, so schwer sie auch sein mögen, werden nicht nach Gesetz und Recht behandelt, sondern in der Maßeinheit der Barmherzigkeit. Dem Diener reute die Schuld und Gott hatte Mitleid. Dieses Mitleid hat der Knecht mit seinem Schuldner im zweiten Teil der Geschichte nicht. Er pocht auf sein Recht. Die Spirale des Abstiegs, der Schuld, des Todes dreht sich weiter. Schuld schafft neue Schuld und wird nicht unterbrochen.
Mit dem guten König sehen wir, wie Jesus das Verhältnis zwischen Gott und uns und zwischen uns Menschen sich vorstellt. Er will keine Knechte, keine Menschen die in Angst und Scham gefangen durch die Welt laufen. Er will Menschen die frei sind von Furcht und Schuld. Jesus nennt uns das Zauberwort zu dieser neuen Wirklichkeit: Erbarmen!
Es geht ihm um eine Welt, in der Menschen aus Gottes Erbarmen leben und deshalb auch – ganz nach dem Vorbild Gottes – miteinander barmherzig, verzeihend umgehen, einander nicht einengen auf ihre Fehler und Schulden, sondern einander zum Leben und zur Freiheit helfen – und damit selber frei werden.
Der Knecht hat das nicht verstanden. Und deshalb verurteilt ihn der König, wie wir im dritten Teil der Geschichte sehen. Der Knecht lebt nicht die Freiheit, die ihm Jesus schenken will. Er lässt sich nicht anstecken von Gottes Erbarmen und verschenkt so die Freiheit dieser neuen Wirklichkeit. Er verschenkt sein Leben, er lässt die Liebe, die er bekommt versanden, denn das, was er selber erlebt hat, das gibt er nicht weiter. Aber Liebe und Freiheit kann ich nicht einschließen, und auf mich alleine beziehen. Liebe und Freiheit ist per se Ausdruck von Weitergabe, von miteinander. Sie ist ein nehmen und geben, ein schenken und erhalten.
Allen Menschen bietet Gott eben diese Liebe an. Er bietet allen sein Erbarmen an. Die Schulden werden vergeben, wenn wir ihn annehmen, wenn wir die Liebe zulassen, wenn wir uns öffnen hin zum Leben und nicht hin zum Tod.
Eventuell ist daher auch das heute Evangelium keine Zumutung in dieser Situation, in dieser Zeit des Terrors, sondern eine Ermutigung, gerade diesem jetzt ganz besonders Entgegenzustehen. Nicht mit verbaler oder körperlicher, nicht mit physischer oder psychischer Gewalt, sondern mit dem Gegenteil.
Das bedeutet nicht, dass wir die Terroristen nicht nach Recht & Gesetz der Demokratie verfolgen und aburteilen sollen. So schwach die uns auch erscheinen mag. Das bedeutet nicht irgendwie in eine Kuschelhaltung und in einen überzogenen Pazifismus zu verfallen. Das bedeutet nicht die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Vielmehr bedeutet es eben, dass wir uns nicht auf diesen Hass einlassen, sondern unseren Blick weg von der Tat hin zu den Menschen wenden. Einmal zu den Opfern und zum zweiten auch zu den Tätern, denn nicht die Täter sind – ich Beziehe mich auf das Zitat des Bürgermeister von London – „widerwärtig“ sondern alleine die Tat. Die Täter sind, egal was sie tun und egal wie schwer das ist es zu akzeptieren, Geschöpfe Gottes und unser Handeln ihnen gegenüber darf nicht blind vor Wut sondern klar von Frieden und Liebe sein, von dem Wissen, die einzige Zukunft, die trägt ist die der Barmherzigkeit.
Die Fanatiker des IS oder anderer Kreise geben das was ihnen Gott gibt nicht weiter. Sie sind die neuen Folterknechte Jesu. Sie sind Folterknechte ihre Mitmenschen und auch sich selber gegenüber. Sie lassen das Erbarmen, das sie selber erleben können in der Liebe Gottes nicht zu.
Jesus Christus hat gang bewusst auch gegenüber den Folterknechten sein Kreuz angenommen. Oder, brechen wir es runter auf uns Menschen und auf uns bekannte Beispiele: Maximilian Kolbe, Mahatma Ghandi und in gewissem Sinne auch die Heilige Hildegard, Heilige des heutigen Tages, haben ihr Kreuz angenommen, auch wenn es scheinbar unerreichbar war, was es zu erreichen galt. Nun ist es an uns, diesen Terror anzunehmen, nicht darunter zu zerbrechen, sondern daran zu wachsen und ihm Eines entgegenzustellen, das einzige was wirklich hilft: Erbarmen.
Der Geist des IS und der anderen fanatischen Gruppen, der nichts anderes als Hass und Tod ist, wird nicht scheitern an Kriegseinsätzen oder Gegenschläge sondern allein an der Botschaft Jesu – an unserer gelebten Christusnachfolge, aber nur wenn wir uns an das Erkennungszeichen aus der Apostelgeschichte halten: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ – das was wir hier feiern: heute, hier und jetzt das zeigt seinen Wert und seine Zukunftsfähigkeit an den Dramen in London, Barcelona, Paris, Berlin oder sonst wo auf dieser Welt, wo der Terror unser Leben zerstören will.
Feiern wir heute diese Eucharistie in Verbundenheit mit den Opfern aber auch im Gebet um die Täter. Handeln wir mit erbarmen, so schwer verträglich es auch für uns sein mag.
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