Den nachfolgenden Text hatte ich einige Tage nach dem Anschlag in England geschrieben und ihn dann wieder vergessen. Hier stelle ich ihn, ganz im Kontakxt der Tage danach ein.
Ein bisschen war ich selber über mich geschockt. Irgendwo habe ich es gehört, dass sich da etwas in England ereignet hat, aber ich habe es nicht wahrgenommen. Auch am nächsten Tag war es kein Thema bei mir. Der Tagesablauf hat dazu geführt, dass ich erst am Nachmittag zum Lesen der Zeitung gekommen bin. Und auch danach: Irgendwie war das einfach weit weg. 22 Tote, viele verletzte … Ja, und nun?
Am Abend beteten wir für die Opfer und ihre Angehörigen. Mir kam nur so die Frage: und was ist mit dem Täter? Es ist leicht (und natürlich auch wichtig und gut) für die armen Menschen zu beten – aber wie ist das mit den „Feinden“?
Und selbst heute? Was fühle ich dabei, wenn ich daran denke, dass schon wieder Menschen sterben mussten? Die Bilder im Internet mit den Beileidsbekundungen, das angestrahlte Brandenburger Tor … zwischenzeitlich bekannte Rituale. Was sagt mir das, was macht das mit mir? Ich stumpfe ab. Schlussendlich so wie bei den Meldungen aus dem Nahen Osten oder aus anderen Ecken der Welt. Tote sind Zahlen, die mich nicht tangieren – solange sie nicht hier, direkt vor meiner Haustüre sind. Ist das nicht auch eine Art und Weise von Reduzierung. Ich schimpfe auf Trumps „Amerika zuerst“ und doch, mache ich selber da nicht das Gleiche? Ich reduziere mein Leben, meine Gedanken und meine moralischen Grundwerte auf mein Umfeld – alles andere ist unwichtig. Nach mir die Sinnflut. Der Rest ist mir doch schlussendlich egal – die paar Fürbitten tangieren mich nicht wirklich oder noch schlimmer sie sind ein pflichtschuldiger Akt.
Es ist so angenehm. Ich kann hier in einer heilen Welt sitzen. Habe schlussendlich alles was ich brauche und kann über die Ungerechtigkeiten der Welt philosophieren. Dass ich daran Anteil habe, durch den Kaffee den ich trinke, durch die Klamotten die ich trage, durch meine politische Lethargie … das verdränge ich. Das entschuldige ich mit der schönen These: Na, ich kann nicht die ganze Welt retten.
Wenn ich das so durchdenke, dann merke ich: Wow, das ko*** mich an was ich da denke. Und doch, ich stehe nicht auf, mache nichts …
Eine weitere Ausrede: Ich gehe zumindest wählen. Aber auch das reicht doch schlussendlich nicht. Oder? Ausreden über Ausreden. Ich mag mich gerade in diesem Bezug nicht. Da muss sich was ändern. Die Ausreden mit den „kleinen Dingen“ die ich leisten kann, müssen aufhören. Gerade auch als Christ muss ich mich endlich aufmachen und mein Leben so gestalten, dass ich mich einbringe. Wie kann das aussehen? Was muss ich tun?
Wie muss mein Leben, mein Handeln aussehen?
Welche Politik muss ich bevorzugen im Bezug auf Diktatoren, auf die Kriegsländer etc.?
Muss ich „meine“ Politiker mehr fordern, nicht nur von Werten zu reden, sondern auch die Werte einzufordern. Bei uns, aber auch ganz besonders in der Welt?
Wie stehe ich zum Pazifismus? Ist das wirklich die Antwort auf die Probleme dieser Welt? Oder ist das auch wieder nur eine Ausrede um nicht eine moralische Entscheidung zu treffen?
Wie denke ich über das Flüchtlingsthema in Deutschland?
Was mache ich dagegen, dass tausende Menschen auf dem Mittelmeer – sorry – verrecken?
Wie kann ich in den Spiegel schauen, wenn ich weiß, dass auf dieser Welt Christen sterben, psychisch & physisch zerstört werden, weil sie eben Christen sind?
Wie reagiere ich auf die Menschen, die sich in klassischer alter rechter Manier absolut untragbar benehmen? Stehe ich gegen Rechts, gegen Rassismus, gegen Ausgrenzung, gegen die geistige Dummheit der Einpeitscher von IS, NDP, AFD und anderen menschenverachtenden Gruppen in Deutschland und der Welt?
Das sind nur einige Fragen, spontan aus der Luft gegriffen, die mich umtreiben und die uns alle umtreiben sollten. Spontan, aber deshalb nicht falsch. Machen wir uns doch mal alle Gedanken.
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