Israel 2017 Achtzehnter Tag

Der 04. März ist unser achtzehnter Tag der Reise mit der Bibel durch das Heilige Land. Heut war Samstag und somit Wochenende also „Sonntag“ in Israel, bzw. für die Juden. Dieses Wochenende oder genauer die Eröffnung des Wochenendes durften wir in einer reformierten Gemeinde miterleben. Der Shabateröffnungsgottesdienst war für uns zugänglich. Rabbi war in diesem Falle eine Frau. Für mich als Katholik und auch nicht so tief im Thema Frauenrabbinat drin, was Neues, was Fremdes. Aber es war hier eine gute Erfahrung diese lebendige Gemeinde zu erleben.

Somit starten wir ganz Israeltraditionell in den Shabat, der auch für uns ein Tag der Entspannung werden sollte. Heute standen die Ziele Qumran, Massada und Totes Meer auf dem Programm.

In Qumran gab es vor dem Gang über das Grabungsfeld einen kurzen Film zur Einführung. Hier zeigt sich wie wichtig der israelischen Tourismusindustrie ein Internationales Publikum ist, denn für jede Sprache gab es diesen Film. Ansonsten ist der Informationsbereich ein bisschen wie ein Vergnügungspark aufgebaut, was Geschmacksache ist. Die Ausgrabungen selber dann sind interessant und zeugen von einer großen Gemeinde. Der Film hilft jedoch nur bedingt um sich in diese Welt einzudenken. Dazu braucht es mehr an Infos und Wissen, aber dafür haben wir ja unsere Rektor, der auf fast alles eine Antwort kennt.

Söhne des Lichts lebten hier, Söhne des Lichts als Abgrenzung zu den Söhnen der Dunkelheit, die in Jerusalem lebten und im ganzen Land. Die Anlage und das was wir von diesen Menschen hier wissen, erinnert an ein Mönchtum, in seiner Radikalität und Abgrenzung aber auch an eine Bewegung, an eine Sekte. Radikales und Abgrenzung gefällt mir ja gar nicht. So ein bisschen kann ich diese Menschen aber auch wieder verstehen. Manchmal würde ich mich auch gerne in ein Kloster zurückziehen, am Besten in ein Schweigekloster, weg von dieser Welt, weg von all den Problemen und sein Leben auf das wirklich wesentliche reduzieren. Beten, Essen, Leben! Aber das wäre in meinem Denken, in meiner aktuellen Lebenssituation Lebensflucht (was sich sicherlich ändern könnte). Wer sich abgrenzt kommt nicht weiter. Wer sich abgrenzt bringt sein Denken in eine Enge, in ein Rückhalten. Das ist gerade heute nicht gut, gerade als Christ, denke ich doch, dass wir Christen mehr denn je in die Gesellschaft hineinwirken müssen um unsere Grundüberzeugung, das Evangelium Christi im Handeln verkünden. Auch bin ich der Meinung, dass Priester keine Politiker sein dürfen aber aktiv in die politische Diskussion einwirken sollten, immer mit dem Evangelium Jesu Christi auf den Lippen und im Tun, als Fahne der Vernunft und der Moral.

Mit unserem Bus ging es dann weiter nach Masada, der Felsenfestung die auch heute noch für die Freiheit Israels steht, auch wenn die Ereignisse des Freiheitskampf sich im Jüdischen Krieg, genauer in den Jahren 73/74 nach Christi, abspielten. Unter dem Motto „Ein ruhmvoller Tod ist besser als ein Leben im Elend“ kämpften die Freiheitskämpfer zu Anfang noch gegen die 4000 Soldaten, die die Festung belagerten. Später begingen die Menschen auf der Festung – weit über 900 Personen – Selbstmord um ihrem Ideal gerecht zu werden (die Informationen gibt es alleine durch Jospehus Flavius, sind also in der Gänze nicht 100% gesichert).
Die Sehnsucht nach Freiheit, der Kampf um ein eigenes Land um einen eigenen selbstregierten Staat haben die Menschen von damals mit den heutigen Bewohnern und Kämpfern des Staates Israel gemeinsam. Das Volk Israel war immer zu klein um sich selbst zu behaupten. Die geographische Lage führte immer dazu, dass dieses kleine Land heiß umkämpft war und zu oft unter Fremdherrschaft stand. Schlussendlich bis heute. Das Handeln der damaligen Kämpfer wie auch der heutigen mag oft nicht O.K. sein, es ist auch viel zu oft nicht verständlich für unsere Sicht, aus unserer Lebenswirklichkeit des Westens heraus, aber die Grundsehnsucht ist verständlich. Dies sollten wir im Blick haben, wenn wir uns über die Zukunft Israels unterhalten. Freiheit, darum geht es. Freiheit die ein Leben nach eigenen Regeln, nach den Gesetzen des Glaubens erlaubt und ermöglicht. In Würde und Qualität. Wie können wir das dem Volk Israel zusichern? Sie haben ein Recht darauf und sie haben begründete Angst, dass dies in einem muslimischen Staat nicht möglich sein wird. Was sind die Folgen daraus? Wie übernimmt die Staatengemeinschaft dazu Verantwortung – ohne zu Prüfen welchen Nutzen dies für den Westen gibt. An Israel muss sich zeigen, dass unsere Asien/Afrikapolitik aufgrund von Werten entsteht und nicht aufgrund von Macht und Wirtschaft.

Abschluss unserer Tagestour war ein Abstecher am Toten Meer. Baden in diesem tiefst gelegenen Gewässer der Erde ist was besonderes. Ein Teil von uns hat sich ins Wasser getraut und nun ist unser aller Haut glatt wie ein Kinderpopo ;-). Strand und Meer schufen ein bisschen Urlaubsstimmung, gaben die Möglichkeit ein bisschen abzuschalten. Das war nötig, denn wir reisen ja nicht einfach nur gedankenlos durch die Gegend sonder beschäftigen uns intensiv mit unserer Spiritualität, mit unserem Menschsein, mit der Bibel, so wie es die Zeit des Propädeutikum ja auch fordert. Das ist schon alles sehr anstrengend, sehr intensiv.

Der Tag bekam eine ganz besondere Abrundung. Dank eines neuen Kontakts, dank einer neuen sehr freundlichen Persönlichkeit die ich kennenlernen durfte, hier in Jerusalem haben wir den Tipp zu einem Klezmerabend bekommen. Es ist ja schon spannend allein aufgrund eines Tipps und mit einer Adresse in der Hand eine Bar zu finden in einer fremden Stadt. Es ist aber noch interessanter, wenn man nicht genau weiß auf was man sich da einlässt und dann vor einem doch sehr ‚eigenwilligen‘ Haus steht und denkt: „Oh, wo bin ich da gelandet!“, aber nachdem wir die Schwelle dieses kleinen Kellerraumes voll Bücher, Menschen und Musik übertraten, wussten wir: Wir sind hier richtig! Alles in diesem Raum war zusammengewürfelt. Die Möbel und die Stühle, die Gläser für den guten israelischen Wein, die Zuhören (Deutsche, Franzosen, Spanier, Israeli, …) und die Musikgruppe. Das verbindende Element war die Musik. Die jiddische Musik und die Spiritualität, die Tiefe darin. Der Einzige der eventuell wusste wohin dieser Abend gehen sollte war der Moderator, Sänger, Organisator dieses Abends, denn selbst die Musiker kannten sich teilweise erst seit dem heutigen Abend und hatten nicht mal wirkliche Noten. Improvisation und „gehen lassen“ – das ist hier die Grundlage des Zusammenspieles. Die Musiker waren echt super (teilweise sind sie Rabbischüler, ich habe vergessen zu betonen, dass das alles orthodoxe Juden waren). Der Sänger hat uns angetrieben, motiviert und hineingenommen in die Musik. Witzig war halt auch, dass wir so viel verstanden haben, er hat ja jiddisch gesungen. Der Abend war ein eintauchen in eine ganz andere Welt. In eine Welt in der Musik verbindet und Menschen nicht mehr getrennt werden. Weder Nation, noch Sprache noch Alter trennten in diesem Momenten. Solche Augenblicke der Gemeinschaft braucht es um ein Funken der göttlichen Schöpfung zu sehen.
Schmunzeln musste ich über den Trompeter. Er war der absolut älteste Musiker/Mensch in diesem Raum. Sicher über 70 Jahre alt. Stoisch stand er in der Ecke der Bühne und spielte seine Trompete. Zu Anfang still und fast „tastend nach einem sicheren Boden“. Keine Bewegung, geschlossene Augen aber immer wieder mit einem stillen Lächeln im Gesicht. Schmunzelnd machte mich aber die Tatsache, dass ich vor vielen Jahren bei der Chagall-Ausstellung in Baden-Baden (2006, Burda-Museum) ein Bild entdeckte und schätzen lernte, das in Habitus und Kleidung diesen Mann zeigt. Chagall hat einen Prototyp gezeichnet und damit eine Hommage nicht an einen Menschen sondern an eine Institution geschaffen, die nahe daran war (eventuell noch immer) auszusterben.

Herr wie schön ist deine Welt. Du schufst die Natur, die wir erleben durfte. Steine, Landschaft, Früchte und Gewächs aber auch die Hitze, das Tote Meer und das Salz. Du schufst die Menschen die in Streit und Frieden hier leben. Du schenktest mir diesen Tag und ich danke dir, für alles was ich erleben durfte, für alle Fehler die ich machen musste, für all die Momente der Freude und die Augenblicke der Ruhe. Danke Herr!

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